Hätte, Ette, Hochseilklette

Kletterwald "Klette am Ette" in Marktoberdorf

Balancierende Bierbänke und schwebende Suppentöpfe: Wer sich der „Klette am Ette“ stellt, darf sich mit dem Titel Herr oder Herrin der Höhen schmücken.

Es ist erstaunlich ruhig. Der Duft von Kiefernnadeln hängt in der frischen Luft – penetrant, und doch nicht lästig. Tief einatmen. Tief ausatmen. Fühlt sich gut an. Als stünde man mitten in einer Wellnessoase, kurz vor Weihnachten – nur, dass sich diese Wellnessoase in 12 Metern über dem Erdboden befindet und wackelt und schaukelt, wie ein Schiff auf hoher See bei starkem Wellengang. Selbstverständlich im Wald, statt auf dem Wasser. Verwirrend? Nun, das ist es spätestens dann, wenn man es tatsächlich bis hierhin geschafft hat. Deshalb von vorne.

Vor rund sechs Jahren entstand ein waghalsiges Erlebnis am Ette, wie er von den Einwohnern Marktoberdorfs im Ostallgäu liebevoll genannt wird. Seit jeher ist der Freibadsee Ettwieser Weiher rund drei Kilometer südlich der Stadt ein beliebtes Ausflugsziel für die ganze Familie, doch seit 2015 nicht nur mehr wegen reichlich Badespaß, sondern auch, um sich den nötigen Tagesbedarf an Nervenkitzel abzuholen. Mit der „Klette am Ette“ eröffnet sich ein Waldseilgarten, der – fest versprochen – Muskelgruppen kennt, von denen vorher kaum ein Mensch Notiz nahm, und sie zu triezen weiß. Bei elf Parcours in verschiedenen Schwierigkeitsgraden und für unterschiedliche Altersgruppen kämpfen sich Kletterfans beginnend vom Boden bis hinauf in Schwindel erregende Höhen von bis zu 12 Metern.

Bevor sich waghalsige Abenteurer jedoch in die Seile hängen dürfen, müssen jene erstmal angelegt werden – und das unter den wachsamen Augen der Kletterprofis im Rahmen einer Sicherheitsdemonstration. Und auch jene Besucher, die im Vorfeld die größten Töne spucken, werden plötzlich leicht blass um die Nase, wenn es dann ans Eingemachte geht. Nicht über sieben Brücken müssen sie gehen, sondern über hölzerne Balken, wackelige Wippen, Hängebrücken und hängende Reifen – ein Balanceakt par excellence. Und da sind sie auch schon – jene Muskeln, die bisher scheinbar einen Dornröschenschlaf hingelegt haben und nun vom Parcours-Prinz wachgeküsst werden.

Was den Klettergarten allerdings so interessant macht, sind die Hindernisse an sich. Wer 08/15-Hängegefilde erwartet, wird schnell eines Besseren belehrt. Während die einen durch Kochtöpfe stolzieren, stets die hängenden, überdimensionalen Löffel und Gabeln über dem Kopf im Blick, fahren andere mit einem Tretbulldog über ein schwebendes Brett! Wer aus der Puste ist, entspannt erstmal im Brotzeit-Parcours auf einer hängenden Bierbank in luftiger Höhe – mit dem besten Blick auf die mehr oder weniger begabten Akrobaten, die sich unten auf den Slacklines austoben, oder auf die ganz kleinen Besucher unter sechs Jahren, die noch ein bisschen auf den Parcours warten müssen und sich stattdessen mit Kettcars und Trettraktoren die Zeit vertreiben.

Und wen ganz oben zwischendurch dann doch mal der Mut verlässt, der macht’s einfach wie Tarzan: In den Gurt fallen lassen, im freien Fall den Fichtenduft genießen – und anmutig auf dem Boden landen, wo mit etwas Glück auch schon Jane mit einer Erfrischung und dem wohl verdienten Stück Kuchen vom Kiosk wartet und sich liebevoll um den spätestens am nächsten Tag eintreffenden Gast kümmert: den Muskelkater. 

Autorin: Sophia Rossmanith, Piroth Kommunikation